Wissenschaftler klären Struktur und Funktion von
molekulargenetischem Schalter im menschlichen Erbgut
Albert Jeltsch, Jacobs-Professor für Biochemie, gelang es erstmals,
zusammen mit Prof. Xiaodong Cheng, Experte für Strukturbiologie an der Emory University, USA, die dreidimensionale Struktur eines menschlichen
Enzyms zur Genregulierung und dessen Arbeitsweise in der Zelle mittels
funktioneller Studien aufzuklären. Die Studie wurde in der Zeitschrift Nature (siehe unten) veröffentlicht.
Das menschliche Erbgut enthält 20000-30000 Gene als
Informationseinheiten. Diese werden im Verlauf der Entwicklung eines
Menschen durch einen als "Genregulation" bezeichneten Prozess gezielt
aktiviert und deaktiviert. Eine zentrale Rolle kommt hierbei speziellen
Proteinen, den DNA-Methyltransferasen, zu. Sie können Sequenzen von
Genen im Erbgut erkennen und durch so genannte DNA-Methylierung, die
Anlagerung von Methylgruppen als Markermolekülen an Schlüsselpositionen,
das Ablesen der nachfolgenden Gensequenz und somit ihre Aktivierung
verhindern. Störungen dieses Prozesses können zu Entwicklungsdefekten
führen und Krankheiten auslösen.
"Doppelpack"-Methyltransferase im Komplex mit DNA (gelb):
Die zwei aktiven Zentren des Enzyms in den beiden
Dnmt3a-Untereinheiten (cyan bzw. blau) sind auf der DNA im Abstand
von ca. 10 Basenpaaren positioniert (orange bzw. rot:
regulatorische Untereinheit Dnmt3L).
Die Forscher um Albert Jeltsch und Xiaodong
Cheng klärten jetzt mittels Röntgenkristallographie die räumliche
Struktur der menschlichen Proteine Dnmt3a und Dnmt3L, die als
Funktionseinheit eine zentrale Rolle bei der Genregulierung durch
DNA-Methylierung während der menschlichen Embryonalentwicklung
spielen. Das überraschende Ergebnis der Strukturanalyse war, dass sich
jeweils zwei Dnmt3a-Dnmt3L-Einheiten als Dimer aneinanderlagern, so
dass eine Methyltransferase mit zwei aktiven Zentren in einem ganz
bestimmten räumlichen Abstand entsteht. Funktionelle Untersuchungen
zur Bindung des Enzyms an die Ziel-DNA-Sequenz im menschlichen Erbgut
zeigten, dass der spezifische räumliche Abstand der beiden aktiven
Zentren des Enzyms in der Art eines Schlüssel-Schloss-Prinzips häufig
auch auf der Ziel-Sequenz der DNA zu finden war.
Methylierungsexperimente konnten darüber hinaus zeigen, dass beide
Zentren auch oft gleichzeitig für einen Anlagerung von Methylgruppen
an die DNA sorgten.
"Die besondere Struktur und Funktionsweise des von uns untersuchten
Enzyms zeigt ganz neue Facetten der Methylierung von DNA in
menschlichen Zellen. So könnte das neu entdeckte enzymatische
'Doppelpack' zum einen eine spezielle Form von Bindungsspezifität
zwischen Enzym und Zielmolekül darstellen. Die parallele Aktivität der
beiden Zentren könnte auch dafür sprechen, dass bestimmte
Regulierungsprozesse besonders schnell ausgeführt werden müssen",
sagte Albert Jeltsch zu den Ergebnissen der Studie. "In jedem Fall
bringt uns unser Forschungsergebnis dem Verständnis des faszinierenden
Vorgangs der organismischen Entwicklung näher, bei dem aus einer
befruchteten Eizelle ein komplettes Lebewesen entsteht", so der
Jacobs-Wissenschaftler abschließend.