Der leitende Forscher, Professor Paul-Martin Holterhus vom
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Kiel, sagt dazu: "Männliche
Geschlechtshormone, also Androgene, haben bleibende Wirkungen während
bestimmter sensitiver Zeitfenster unserer Geschlechtsentwicklung und
dies betrifft wahrscheinlich nicht nur das Genitale, sondern auch
andere Organe." Er fügt hinzu: "Es wird zunehmend akzeptiert, dass das
Gehirn in An- oder Abwesenheit von Testosteron eine
geschlechtsspezifische Entwicklung durchmacht. Dies betrifft
geschlechtsspezifisches Verhalten und beeinflusst wahrscheinlich auch
die geschlechtliche Identität."
Die Rolle von Androgenen - besonders die von Testosteron - in der
sexuellen Entwicklung ist seit langem bekannt. Die "Progammierung" des
Geschlechts beginnt im Embryo und geht nach unseren Vorstellungen im
Laufe des Lebens weiter, auch in der Pubertät. Was zurzeit nicht
bekannt ist, ist die unterschiedliche Rolle genetischer und
chromosomaler Faktoren (Geschlechtschromosomen) gegenüber
langfristigen programmierenden Effekten von Sexualhormonen, den
Androgenen.
Personen mit CAIS, das etwa einen von 20.000 Menschen betrifft, sehen
wie normale Frauen aus. Auf genetischer Ebene haben CAIS-Frauen jedoch
XY-Chromosomen anstelle der üblichen XX-Chromosomen. Die Ursache sind
Mutationen im Gen, das für den Androgenrezeptor kodiert, was bedeutet,
dass die Signale der männlichen Geschlechtshormone nicht wirken
können. Die Wirkung des Testosterons wird quasi außer Kraft gesetzt.
Die Forscher untersuchten Hautproben der äußeren Genitalien, um den
molekularen "Fingerabdruck" von normalen Männern und CAIS-Frauen zu
vergleichen. Die Analysen zeigten, dass zwischen Männern und
CAIS-Frauen etwa 440 Gene in ihrem Transkriptions-Grad, also dem
Ausmaß wie diese abgelesen werden, unterschiedlich sind. Dadurch wird
eine spezielle "Signatur" gebildet, die die Forscher nutzten, um
Proben des "Partial Androgen Insensitivity Syndrome" (PAIS) zu
bewerten. Die neue Methode könnte weiterentwickelt werden, um die
Störung der Geschlechtsentwicklung individueller Menschen mit
Androgenresistenz besser zu verstehen.
"Da wir XY-Frauen mit XY-Männern verglichen, kann der Unterschied nur
durch die unterschiedliche Aktivität von Androgenen und nicht durch
unterschiedliche Geschlechtschromosomen erklärt werden", erläutert
Paul-Martin Holterhus. "Eine weitere Beobachtung ist, dass die einzige
Frau mit einem weiblichen 46, XX Genotyp in unserer Studie bezüglich
der identifizierten Gene nicht sehr in ihrer Signatur von den
XY-Frauen abwich. Diese Beobachtung relativiert die Rolle der
Geschlechtschromosomen in der Definition des Geschlechts."
Die Studie wurde mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft
unterstützt.
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